„Beim DCP als Studio des Jahres ausgezeichnet zu werden, ist eine große Anerkennung“ – Benjamin Zuckerer von CipSoft im Interview
In der Kategorie „Studio des Jahres“ wird ein Team ausgezeichnet, das nicht nur durch seine Spiele selbst, sondern auch durch den Erfolg und das Engagement des Studios insgesamt hervorsticht. Die Jury bewertet entsprechend Aspekte wie die Qualität als Arbeitgeber, den Produkterfolg, Innovationen, soziale Verantwortung oder gesellschaftliches Engagement (z.B. Diversität, Nachhaltigkeit, Nachwuchsförderung). 2023 gehen die Studios Egosoft, Paintbucket Games und Weltenbauer Software Entwicklung als Nominierte ins Rennen um das „Studio des Jahres“.
Der Vorjahresgewinner CipSoft ist ein Entwickler von Online-Games mit Sitz im bayerischen Regensburg. Was als studentisches Hobbyprojekt begann, ist heute ein fast hundertköpfiges Unternehmen, das seit seiner Gründung profitabel und unabhängig von externen Kapitalgebern ist. Das Studio entstand aus dem Erfolg von Tibia, das seit 1997 online ist und zu den ersten MMORPGs der Welt gehört. Mit TibiaME entwickelte CipSoft auch das erste mobile Online-Rollenspiel und startete mit LiteBringer das erste Spiel, das komplett auf der Litecoin-Blockchain basiert.
Der DCP im Gespräch mit CipSoft-Geschäftsführer Benjamin Zuckerer:
2022 habt ihr den Preis für das „Studio des Jahres“ beim DCP gewonnen und die Trophäe von der bayerischen Digitalministerin Judith Gerlach überreicht bekommen. Welchen Stellenwert hatte diese Auszeichnung für euch und euer Team?
Benjamin Zuckerer: Beim DCP als Studio des Jahres ausgezeichnet zu werden, ist der wertvollste Preis, den man in der deutschen Spielebranche gewinnen kann. Das war also schon eine große Anerkennung – insbesondere für uns. CipSoft ist ja ein sehr altes Studio und wir machen schon sehr lange Spiele. Tibia ging bereits 1997 online und obwohl wir seitdem ständig Updates dafür veröffentlichen und das Spiel in den letzten Jahren erfolgreicher war als jemals zuvor, bekommt man mit einem Live-Service-Game einfach weniger Aufmerksamkeit als ein Studio, das alle zwei Jahre einen komplett neuen Titel veröffentlicht. Dazu kommt, dass Tibia insbesondere in Südamerika populär ist und bei deutschen Spielerinnen und Spielern weniger bekannt. Wir waren also lange Zeit ein bisschen ein Hidden Champion. Inzwischen kennt man uns in der Branche aber schon, würde ich sagen. Wir haben in letzter Zeit ja auch ein paar Schlagzeilen gemacht, unter anderem mit der Auszahlung von ganzen Jahresgehältern als Tantieme – und das sogar zwei Mal in Folge. Die Preise, die wir gewonnen haben, haben natürlich auch ihren Teil dazu beigetragen, bekannter zu werden. Die Auszeichnung zum Studio des Jahres unterstreicht die gute Arbeit der letzten Jahre, in denen wir ein sehr lange laufendes Spiel erneut vorangebracht haben. Auch unsere Bemühungen, etwas von unserem Erfolg an die Gesellschaft zurückzugeben sowie ein guter Arbeitgeber zu sein und viel für unsere Mitarbeitenden zu tun, wurden damit anerkannt. Das macht uns natürlich stolz.
Sind die Voraussetzungen für Start-ups heute besser als bei eurer Gründung 1997? Und wie schätzt ihr die Startbedingungen für junge Studios in Deutschland aktuell ein?
Benjamin Zuckerer: Die Bedingungen sind heute definitiv besser als 2001. Damals ist ja die New-Economy-Blase geplatzt. Es herrschten also die denkbar schlechtesten Bedingungen, um eine Firma in dem Bereich zu gründen. Das damals gängige Geschäftsmodell basierte auf Werbeeinnahmen und die sind quasi von einem Tag auf den anderen weggebrochen. Es war schlichtweg nicht mehr möglich, damit Geld zu verdienen. Die Firmengründer hatten dann die geniale Idee, auf ein Freemium-Modell zu setzen, was rückblickend maßgeblich zum Erfolg und zur Stabilität des Unternehmens beigetragen hat. An Investorengelder zu kommen, wäre damals auch sehr schwierig gewesen. Und von Banken Kredite zu bekommen, war fast unmöglich – zumindest für so etwas wie Computerspiele. Insofern würde ich schon sagen, dass es inzwischen deutlich einfacher ist, eine Fima im Gamesbereich zu gründen. Es gibt die Bundesförderung, die einen unterstützt. Es gibt diverse lokale Förderungen in den Ländern. Es gibt verschiedene Accelerator- und Inkubator-Programme. Es gibt inzwischen deutlich mehr Möglichkeiten, an Investorengelder zu kommen. Junge Teams können so deutlich einfacher die ersten ein, zwei Jahre überbrücken.
Welche Tipps könnt ihr Gründerinnen und Gründern mit auf den Weg geben?
Benjamin Zuckerer: Macht euch frühzeitig Gedanken über euer Geschäftsmodell und wie ihr später Geld verdienen wollt. Macht nicht nur ein Spiel und bringt es einfach raus. Insbesondere in Zeiten, in denen man über die Bundesförderung vergleichsweise leicht an das benötigte Geld kommt – wobei man natürlich die Hälfte davon selbst aufbringen muss, das darf man auch nicht vergessen. Man sollte sich außerdem ein Projekt vornehmen, das man auch stemmen kann, sowohl vom Kenntnisstand als auch vom Umfang. Viele Studios wollen natürlich gleich etwas möglichst Großes umsetzen und scheitern daran, dass es zu viel ist für den Zeitrahmen und die verfügbaren Ressourcen. Irgendwann geht das Geld aus und das Spiel ist nicht fertig. Dann steht man unter Druck und muss etwas veröffentlichen, das vielleicht noch nicht gut ist. Ein weiterer Tipp ist: Redet miteinander! Vernetzt euch! Geht zu eurem lokalen Indie-Stammtisch oder zu Veranstaltungen wie der devcom und nutzt alle Gelegenheiten, um euch mit anderen auszutauschen und Fragen zu stellen. Mir ist es noch nie passiert, dass jemand nicht bereit war zu helfen. Generell ist die Computerspielbranche sehr offen und es geht recht freundschaftlich zu. Es herrscht keine starke Konkurrenz zwischen den Studios, es werden keine großen Betriebsgeheimnisse gewahrt. Deshalb tauschen auch wir uns regelmäßig mit anderen aus. Wir haben uns mit Ubisoft getroffen, mit Yager, mit Sandbox Interactive, mit Mimimi, mit Chimera. Wir machen das nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern auch international, und profitieren vom regen Wissensaustausch innerhalb der Branche. Deshalb: Geht zu den verschiedenen Events, die es gibt, und lernt Leute kennen!
Fachkräftemangel ist in nahezu allen Branchen ein Thema. Gilt das auch für die Spieleindustrie? Und wenn ja – wie geht ihr bei CipSoft damit um?
Benjamin Zuckerer: Ja, das gilt natürlich auch für die Spieleindustrie – je nach Bereich aber unterschiedlich stark ausgeprägt. Programmiererinnen und Programmierer sind einfach in vielen Branchen sehr, sehr gefragt, und es ist für die Spieleindustrie schwierig, mit großen Konzernen mitzuhalten. Bei spezifischeren Berufen wie Gamedesign ist der Markt nicht ganz so hart umkämpft, aber auch hier ist es natürlich nicht so einfach, an Leute zu kommen. Wir sind deshalb zum Beispiel sehr aktiv bei verschiedenen Veranstaltungen in der Region. Wir sind präsent an Universitäten und halten dort Vorträge. Wir sind Mitausrichter des Indie-Outposts in Regensburg. Wir sind auch gut in der Entwicklerszene verknüpft und versuchen so, auf uns aufmerksam zu machen. Und wir sind natürlich auch ein guter Arbeitgeber, der schon mehrfach ausgezeichnet wurde. Erst kürzlich haben wir von der Stadt Regensburg zum Beispiel den Margarete-Runtinger-Preis verliehen bekommen, mit dem Unternehmen geehrt werden, die Chancengleichheit von Frauen und Männern sowie Vereinbarkeit von Familie und Beruf umsetzen. Auch Great Place to Work zeichnet uns regelmäßig für unsere attraktiven Arbeitsbedingungen aus und hat uns dieses Jahr erneut zu einem der besten Arbeitgeber in der IT-Branche gekürt. Wir legen allgemein recht viel Wert auf eine gute Work-Life-Balance. Unsere Mitarbeitenden können sich ihre Arbeitszeiten sehr frei einteilen und Crunch ist bei uns sowieso ein Fremdwort. Es gibt aber zum Beispiel auch ein sehr üppiges Fortbildungsbudget – acht Arbeitstage und 4000 Euro pro Person – über das man bei CipSoft frei verfügen kann.
Benötige ich einen Bachelor oder Master, um als junger Mensch in die Branche einzusteigen? Oder sind betriebliche Ausbildungen oder Quereinstiege eine Alternative?
Benjamin Zuckerer: Das ist auf jeden Fall eine Alternative. Klar sind in bestimmten Bereichen Abschlüsse eine gute Voraussetzung, aber grundsätzlich geht es darum, was die Leute können, wie lernbereit sie sind und ob sie Bock haben. Ein Abschluss ist hilfreich, aber nicht zwingend notwendig. Es gibt in der Spielebranche ja auch eine ganze Menge Berufe, die man gar nicht traditionell lernen kann. Community Management zum Beispiel – es gibt in unserer Branche viele, die in dem Bereich tätig sind, aber das ist kein definiertes Berufsbild mit Studium und Abschluss. Letztendlich sind das alles Quereinsteiger, wenn man so möchte. Auch beim Gamedesign findet man oft Menschen, die aus anderen Bereichen kommen. Insofern: Einfach bewerben! Am besten bei uns!
Lieber Benjamin, danke für das Interview. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen beim DCP 2023 in Berlin!