Interview mit Paintbucket Games, Gewinner 2020 in der Kategorie "Bestes Serious Game"

Der Berliner Entwickler Paintbucket Games gewann mit seinem Titel „Through the Darkest of Times“ beim Deutschen Computerspielpreis 2020 in der Kategorie „Bestes Serious Game“. Through the Darkest of Times lässt uns die Abgründe des Nationalsozialismus hautnah miterleben und fordert uns auf, sich damit auseinanderzusetzen. Wir sprachen mit Jörg Friedrich (rechts im Bild), Gründer von Paintbucket Games und als Game Designer im eigenen Unternehmen tätig. Außerdem im Bild: Mitgründer und Kollege Sebastian St. Schulz (links).

 sebastian_joerg_gamescom

In „Through the Darkest of Times“ nehmen wir die Rolle eines Widerstandskämpfers während des Nationalsozialismus ein und lernen viel über dieses düstere Kapitel deutscher Geschichte. Im Spielverlauf wird deutlich, dass alle unsere Entscheidungen ernste Konsequenzen auf die weiteren Geschehnisse haben. Damit bietet sich euer Spiel sicher auch als interaktives Arbeitsmaterial für den Geschichtsunterricht an. Gibt es Pläne oder gar Umsetzungen bezüglich einer Zusammenarbeit mit Lehrerinnen, Lehrern und Schulen?

Jörg Friedrich: Die Nachfrage von Schulen und Bildungseinrichtung für eine Nutzung von Through the Darkest of Times ist sehr hoch. Wir sprechen gerade mit Partnern und arbeiten gemeinsam Konzepte aus, wie das Spiel am besten von Schulen genutzt werden kann.

Aktuell arbeitet Ihr an „The Darkest Files“. Diesmal versuchen die Spielenden als Staatsanwalt oder Staatsanwältin in der Bundesrepublik der Nachkriegszeit NS-Verbrechen aufzuklären. Der Name „The Darkest Files“ erinnert sicher nicht zufällig an „Through the Darkest of Times“. Bitte schildere uns, worum es geht und erklär uns kurz die grundlegenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Spielmechanik der beiden Titel. Wie kommt Ihr voran und wann ist der Release geplant?

In „The Darkest Files“ versucht man, Verbrechen der Nazis aufzuklären und Täter und Täterinnen vor Gericht zu bringen. Dabei muss man sich auch mit dem Widerstand von Teilen der deutschen Nachkriegsgesellschaft auseinandersetzen, die einen als Nestbeschmutzer sehen und diese Verbrechen gerne im Dunklen lassen würden.

Mit „Through the Darkest of Times“ stehen hingegen das Thema Nationalsozialismus und der gesellschaftliche Umgang damit im Fokus. Ja, die Mischung aus Strategie-Elementen und Erzählteil hat gewisse Ähnlichkeiten. Allerdings läuft der Strategieteil in „The Darkest Files“ in jederzeit pausierbarer Pseudo-Echtzeit ab und nicht mehr in Runden. Außerdem ist man in offizieller Funktion unterwegs, hat einen Staatsapparat hinter sich und muss sich nicht verstecken, sondern jagt die Täter und Täterinnen der NS-Zeit. Das Gameplay der Gerichtsprozesse wird sich außerdem stark von allem unterscheiden, was es in „Through the Darkest of Times“ gab.

Ging es in „Through the Darkest of Times“ um den Widerstand aus dem Untergrund, in einer Zeit in der es schon zu spät war die Nazis aufzuhalten, geht es in „The Darkest Files“ um Rechtsstaatlichkeit.
Bis zum Release von „The Darkest Files“ wird es noch eine Weile dauern, wir sind ein kleines Team und wollen sicherstellen, dass wir dieses wichtige Thema angemessen behandeln

 joerg_und_vivian_am_platz_2
Jörg Friedrich an seinem Arbeitsplatz bei Paintbucket Games in Berlin. Im Hintergrund zu sehen, seine Kollegin Vivian.

Das BMVI hat jüngst zugesagt, Euer aktuellstes Projekt „Septembertal“ mit knapp 180.000 Euro zu fördern. Darin schlüpfen Spielerinnen und Spieler in die Rolle eines Menschen, der durch den Ersten Weltkrieg gezwungen ist, seine Heimat zu verlassen und im kleinen Dorf Septembertal in Pommern landet. Dort gilt es, sich ausgehend von einem kleinen Stück Land eine Existenz aufzubauen, was nur in Zusammenarbeit mit anderen Bewohnern gelingt. Das klingt ein bisschen nach dem Spielprinzip von Animal Crossing oder Harvest Moon, versehen mit einer politischen Hintergrund-Story. Was macht Septembertal anders als die genannten Titel und wieviel Einfluss hat die Zeitgeschichte auf die Entwicklung des Spiels bzw. zieht es klare Parallelen in der Handlung?

Harvest Moon und Animal Crossing sind ganz klar Inspirationen. Wir fanden, dass gerade Harvest Moon sich durch seinen leicht zugänglichen Game-Loop wunderbar eignet, um Spieler und Spielerinnen niedrigschwellig durch eine interessante historische Erzählung zu führen. Das Szenario Pommern zwischen den Weltkriegen beeinflusst das Spiel durchgehend – das reicht von den Pflanzen die man anbaut, über Werkzeuge und Hilfsmittel bis hin zu den anderen Figuren im Dorf. Der größte Unterschied zu den Vorbildern ist sicherlich unsere Demokratie-Simulation. Zu größeren Entscheidungen, die das ganze Dorf betreffen, gibt es Abstimmungen – ich muss versuchen, für meine Ideen zu werben und andere Bewohnerinnen und Bewohner für mein Vorhaben zu begeistern – und unter Umständen muss ich mich auch mit einem Kompromiss abfinden. Das ist relativ experimentell und ich bin gespannt, was die Spieler und Spielerinnen dazu sagen werden.

Paintbucket Games hat bisher ein Spiel veröffentlicht und derzeit zwei in der Entwicklung. Allen drei Spielen ist gemein, dass sie einen engen Bezug zu historischen Begebenheiten haben. Hat sich diese Analogie eher zufällig ergeben? Oder ist das ein klarer Anspruch und somit festes Markenzeichen von Paintbucket Games? Falls ja, was sind Eure Motive für diese Entwicklungsphilosophie?

Wir haben Paintbucket Games gegründet, weil wir zeigen wollten, dass Computerspiele gesellschaftlich relevante Themen auf spannende Weise aufgreifen und behandeln können. Historische Themen sind relevant, weil die Art, wie wir uns Erinnern, unsere Sicht der Gegenwart beeinflusst. Jedes unserer Spiele greift ein für uns wichtiges politisches Thema auf, zum Beispiel ziviler Widerstand, Rechtsstaatlichkeit oder Demokratie – bislang hat das immer dazu geführt, dass unsere Spiele historisch und politisch waren – wir können uns aber durchaus auch vorstellen ein politisches Spiel in einem fiktiven Szenario zu machen.

Ihr seid mit Painbucket Games im Jahre 2016 als zweiköpfiges Entwicklerstudio gestartet. Nun, lediglich vier Jahre später, habt Ihr den Titel für das Beste Serious Game beim DCP 2020 sowie Förderungen für weitere Projekte erhalten. Was bedeutet das für Euch als Gründer und die Zukunft und das Wachstum von Paintbucket Games?
Für uns ist es eine große Ehre, diesen Preis gewonnen zu haben und auch ein Ansporn entsprechend weiter zu machen. Wir lieben Computerspiele und glauben, dass es in dem Medium noch sehr viel Neues zu entdecken gibt – die Förderungen erlauben uns, unser kleines, feines Team vorsichtig zu vergrößern und uns diesen Herausforderungen zu stellen. Dafür sind wir wirklich dankbar.

Vervollständige diesen Satz: „Der Deutschen Computerspielpreis 2020 im Live-Steam war für uns …“

Sen-sat-io-nell!